Dahoam/Diheime
- Felix. Roshardt

- 9. Sept.
- 3 Min. Lesezeit

Heute ist so ein wunderschöner Tag. Ein Spaziergang am See ist einfach inspirierend, zumal langsam herbstliche Züge zu bemerken sind. Die Farben werden intensiver, die Hitze ist nicht mehr gross, einzelne Bäume beginnen ihre Blätter leicht zu färben. Ein milder Hauch liegt über dem See. Ich sitze da und lasse diese Stimmung in mich einwirken. Dabei sind natürlich meine Gedanken in regem Betrieb und ich denke über meine Heimat nach. Wir sind nun fast 17 Jahre in Österreich. Ich schweife zurück. Mit wie viel Hoffnung und Zuversicht sind wir damals im Frühling 2008 ins Ausseerland gezogen. Für mich der schönste Ort, den wir uns je für unser Zuhause ausgesucht haben. Dieser Kraftplatz, diese Energie, die dort freigesetzt wurde. Das steirische Salzkammergut. Die Menschen eher zurückhaltend, aber immer sehr freundlich und zuvorkommend. (mit Ausnahmen, ist eh klar....:-) Aber, ich glaube, die Mentalität im Ausseerland hat mit uns Schweizern sehr viel Ähnlichkeit. Ich fühlte mich da sehr wohl. Wie dem auch sei, nach 6 Jahren war ausgeträumt. Wir zogen nach Gmunden, am Tor zum Salzkammergut (Oberösterreich) Leicht städtisch, sehr touristisch, etwas versnobt, aber wunderschön am Traunsee gelegen. Einfach Bilderbuchhaft. Auch die nähere Umgebung: Bad Ischl, Attersee, Offensee, Almtal etc etc. Alle die uns schon besuchten, wissen, dass wir in einer 5* Region leben dürfen.
Doch trotzdem die Frage, wo bin ich nun Dahoam, wo Dihei? Grundsätzlich glaube ich, dass ich hier nun wirklich angekommen bin. Ich habe Freunde gefunden, Bekannte, die Familie sowieso, (bis auf die 1 und die vermisse ich sehr.....) Also alles paletti? Bin ich schon ein Österreicher? Nein, noch lange nicht. Ich schaue nach wie vor SFR, höre Musigwälle und habe noch regen Kontakt in die Schweiz, besonders nach Hochdorf. Es sind noch viele Freunde da - Freunde. Komme ich in die Schweiz, haben sie - meistens - Zeit für mich. Ihr Alltag ist nicht mehr der meinige. Sie sind fast noch alle bei der Arbeit. Die einen sind im wohlverdienten Ruhestand. Doch sie bleiben Freunde. Bin ich zu Besuch, habe ich bei vielen das Gefühl, als wäre ich nie fort gewesen. Wir sehen und hören uns nicht oft, aber wir sind uns immer noch sehr vertraut. Das ist das schönste an Freundschaft. Natürlich hat sich das in all den Jahren etwas ausgedünnt. Wie gesagt, alle leben ihr Leben und ist auch gut so. Es ist wie es ist und ich freue mich immer wie ein Kind, wenn ich sie treffe. Familie habe ich auch noch in der Schweiz. Auch da, man freut sich alle wieder zu sehen. Wir werden alle nicht jünger und einigen fällt das Reisen nicht mehr so leicht. Es ist vermutlich auch bei mir ein Frage der Zeit, wie lange ich noch in die Schweiz reisen kann. Allerdings beschäftige ich mich damit noch gar nicht. Es geht, das ist die Hauptsache.
Mit all diesen Ausführungen ist aber noch nicht wirklich geklärt, wo ich Dahoam oder Dihei bin. Kann es sein, dass ich einfach da daheim bin, wo ich gerade bin? Ich ertappe mich oft dabei, dass ich den Satz sage: "Bei uns dahoam" meine aber damit "In der Schweiz".... Es ist auch spannend, dass ich mich nach wie vor mit meiner Frau in "Schwiizerdütsch" unterhalte, kaum sind wir unter uns. Also denke ich, ich bin hier dahoam, und bin ich in Hochdorf, bin ich dihei. Irgendwie finde ich das noch schön. Zwei Zuhause zu haben.
Es gab hier die letzten Wochen eine Umfrage in OÖ, zur Frage: "Sollen die Migrant:innen bei ihnen daheim Deutsch sprechen? Über 40 % sagten ja, das wäre wünschenswert. Das können nur Menschen sagen, die noch nie irgendwo anders lebten. Bei mir wäre das sicher möglich, aber stell ich mir vor, Menschen aus Syrien, aus Somalia, Bosnien - oder woher auch immer. sollen unter einander Deutsch sprechen? Die kämen nicht über die Runden. Egal woher man kommt, es ist doch ein Stück Heimat, das die Mutter-Sprache verbindet. Es kann nicht sein, dass man von solchen Menschen verlangt, dass sie ihre Wurzeln so schnell wie möglich ausreissen. Das geht nicht. Das könnten die Österreicher auch nicht, wenn sie in einem anderen Land leben würden. Meine Frau ist wohl eine Ausnahme, aber ich kenne viele Deutsche, Österreicher die in der Schweiz leben und die meisten können nach 40 Jahren nicht leugnen woher sie kommen. Das ist bei mir hier genauso. Ich habe immer noch den Schweizer Slang in meiner Sprache. Jeder merkt sofort, dass ich ein "Zuegraster" bin. Das ist auch gut so. Meine Söhne sind da etwas weiter, aber die leben auch schon einiges länger hier. Ehrlich: Ich will meinen Slang gar nicht verlieren. Ich bin nun mal ein Eidgenosse, das wird immer so bleiben.
Wie dem auch sei, ich fühle mich da sehr dahoam und bin ich in Hochdorf, bin i au da dihei.
Euer Pensionist



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